Verkauf von „Streubesitz“: Wie ernst nimmt Gemeinderat den Bürgerwillen?

Um den Verkauf von „Streubesitz“ zu ermöglichen, schlägt die Stadtverwaltung dem Gemeinderat in einer Beschlussvorlage vor, die Bindungswirkung des Bürgerentscheides von 2006 aufheben. Damals hatten 70% der Wähler den Verkauf städtischer Wohnungen verhindert. Die Bürgerinitiative Wohnen ist Menschenrecht (WiM), die damals den Bürgerentscheid erwirkt hatte, verurteilt die drohende Aufhebung der Bindung dieses Entscheides als grobe Missachtung des Bürgerwillens.

Während die neue grün-rote Landesregierung Bürgerbeteiligung stärken will, droht Freiburg mit dem grünen Oberbürgermeister Salomon eine genau gegenteilige Entscheidung der Gemeinderatsmehrheit. WiM erinnert an die Beteuerungen des Oberbürgermeisters und mehrerer Gemeinderäte aus dem OB-Wahlkampf letzten Jahres, denen zufolge ein Verkauf städtischer Wohnungen nicht in Betracht gezogen werde. Nun soll die Wirksamkeit des Bürgerentscheides aufgehoben werden, um wieder städtische Wohnungen verkaufen zu können. Soll sich etwa die Wählertäuschung des amtierenden Oberbürgermeisters wiederholen, wie sie aus damals gegebenem Anlass im Vorfeld des Bürgerentscheides 2006 von WiM bereits scharf kritisiert worden war?

Worum geht es? Entsprechend einer Vorlage für den Gemeinderat soll die 3-jährige gesetzliche Bindungswirkung des Bürgerentscheides aufgehoben werden, um Wohnungen aus „Streubesitz“ der Stadt und FSB verkaufen zu können. Zunächst stellt sich die Frage, warum dies im Dezember 2009 möglich war, als die Stadt bereits 24 Wohnobjekte verkauft hat, obwohl die Bindung des Bürgerentscheides nicht aufgehoben worden war. WiM befürchtet nun, dass mit der formalen Aufhebung der Bindungswirkung dem schrittweisen Verkauf von weiteren Wohnungen rechtliche Hürden genommen werden sollen. Weitere  Verkäufe wären dann einer demokratischen Kontrolle entzogen und könnten ohne Zustimmung des Gemeinderates durch die FSB getätigt werden. Damit wären Tür und Tor geöffnet für weitere Verkäufe in den nächsten Jahren, die auch über den Streubesitz hinausgehen könnten. Verstärkt werden diese Bedenken durch die Tatsache, dass sich  seinerzeit sogar der immer noch amtierende Geschäftsführer der FSB, Ralf Klausmann, auf die Seite der Verkaufsbefürworter „seiner“ FSB geschlagen hatte. Darüber hinaus gehören zum Streubesitz auch städtische Grundstücke, die ebenso wie Wohnungen ein wichtiges Instrument für eine soziale Stadtentwicklung sind.

WiM weist nochmals auf die Bedeutung bezahlbaren städtischen Wohnraumes für die Steuerung der sozialen Ausgewogenheit der Stadtteile hin. Die Preisgabe von Wohnungen in „gut-situierten“ Stadtteilen wird notwendiger Weise zur Konzentration einkommensschwacher Familien in anderen Stadtteilen führen. Soziale Spannungen werden so provoziert oder billigend in Kauf genommen. Aufgabe städtischer Wohnungspolitik ist es aber gerade einer solchen Entwicklung entgegenzusteuern. Dies ist auch im Gesellschaftsvertrag der FSB als ihre Aufgabe nachzulesen. Bei aller Kritik an der Mietenpolitik der FSB fordert WiM daher ausdrücklich den Gemeinderat auf, durch eine Zustimmung zum Wohnungsverkauf wichtige Steuerungsmöglichkeiten für eine soziale Wohnungspolitik nicht fahrlässig aus der Hand zu geben. Das gilt heute ebenso wie 2006, als die Bürgerinnen und Bürger durch ihre Stimmabgabe beim Bürgerentscheid genau dies zum Ausdruck brachten!

Wohnen ist Menschenrecht, 04. Mai 2011

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