BZ | Das Leben nach dem Bürgerentscheid

FREIBURG. Da steht er und ist beladen: Der Mieterhöhungs-Dukatenesel trägt die Last von Flugblättern und Plakaten, das Goldspucken aber lässt er sich nicht nehmen. Das unterscheidet ihn von den Mitgliedern des neu gegründeten Vereins „Wohnen ist Menschenrecht“ (Wim), Nachfolger der drei Jahre alten gleichnamigen Bürgerinitiative. Sie stellen klar: Bei einem großen Teil der Bevölkerung wird das Geld durch steigende Mieten immer knapper.

Ihr Info-Stand ist gut mit Leuten besetzt – ein paar stehen hinter dem Flugblätter-Tisch, die anderen gehen auf und ab, verwickeln sich in Gespräche, verteilen ihre neue Mieterzeitung. Im derzeitigen Wahlkampf-Freiburg war der Info-Stand von „Wim“ am vergangenen Samstag einer von vielen. Und obwohl sie überparteilich sind, hängen die „Wim“-Leute mitten drin in der Politik – auf die derzeitige schwarzgrüne Gemeinderatsmehrheit jedenfalls sind sie nicht gut zu sprechen. Ähnlich wie manche, die bei ihnen stehenbleiben: „Es ist ein totales Ärgernis, dass es jetzt plötzlich alle wieder wunderbar finden, dass die Stadt ihre Wohnungen behalten hat“, schimpft die Passantin Erika Bettmann, „jetzt wollen alle zu den Siegern gehören“.

Denn so hatte alles angefangen: mit den Plänen des grünen Oberbürgermeisters Dieter Salomon und der schwarzgrünen Gemeinderats-Mehrheit, die städtischen Wohnungen zu verkaufen – und mit Menschen, die sich dagegen wehrten. Zum Beispiel Anne Reyers vom Verdi-Ortsvorstand oder Arno Bank, der in Weingarten wohnt und findet: „In Weingarten leben heißt sich einmischen.“ So entstand im April vor drei Jahren die – weit über Weingarten hinausgehende – Bürgerinitiative „Wohnen ist Menschenrecht“, bis hin zum erfolgreichen Bürgerentscheid für den Erhalt der städtischen Wohnungen. „41 583 Mal Ja“ steht immer noch auf einem der Transparente am Boden. Denn auch wenn der Bürgerentscheid längst zur Vergangenheit gehört: Der Erfolg gibt ihnen Mut beim angespannten Thema Wohnen.

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Stichwort Mieterhöhungen (nicht nur) bei Stadtbau-Wohnungen, Stichwort Klageverfahren von Mietern, Stichwort Mietspiegel – davon können alle, die hier mittun, ein Lied singen: Der Sozialarbeiter Gerhard Steinhart, der bei seiner Arbeit im Stadtteilbüro Weingarten täglich sieht, wie viele Menschen mit geringem Einkommen ihre Mieten nicht mehr bezahlen können. Oder Brigitte Mayer von der Mieterinitiative Rennweg/Stefan-Meier-Straße in Brühl-Beurbarung, wo Mieter als nächsten Verfahrensschritt Klagen beim Landgericht einreichen werden. Oder Marc Ludwig, der „eine Verelendung durch hohe Mieten“ beobachtet, weil immer mehr Menschen immer weniger Geld bleibt – zum Beispiel für Nahrungsmittel.

Warum wurde aus der Initiative nun ein Verein? Die Arbeit soll noch strukturierter und effektiver werden, wünscht sich Anne Reyers. Dass jetzt strikte Vereinshierarchie auf lockere Bürgerinitiative-Stimmung folgt, ist unwahrscheinlich: Dafür sorgt ein riesiger, 16-köpfiger Vorstand, der seiner Basis viel Raum lässt.

Den Artikel finden Sie in der Badischen Zeitung.

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